Hoher Besuch bei den Feldbogenschützen in Kassel

Am 21. + 22. April 2018 war es endlich soweit: das mit Spannung erwartete Wochenendseminar von Karin und Dietmar Vorderegger im heimischen Helsa begeisterte nicht nur Bogenneulinge, sondern konnte auch so manchem alten Hasen noch die eine oder andere Verbesserung der eigenen Schusstechnik nahe bringen. Doch der Reihe nach. 

Ein wenig Zittern im Vorfeld gab es ja schon: „Kommen sie wirklich?“ war sicher eine der am häufigsten gestellten Frage, „ist das nicht ein bisschen weit – so von Salzburg nach Kassel?“ die zweithäufigste. Und selbst wenn sie kommen – „was sind das überhaupt für Leute?“ 

Nun, der geneigte Bogenenthusiast wird wissen, dass Karin und Dietmar Vorderegger zu den weltweit erfolgreichsten Bogenschützen gehören, und zahlreiche Landes-, Europa- und Weltmeistertitel  ihre Wohnzimmerwände zieren dürften. 

Inzwischen ist ihr Hobby nicht nur Berufung, sondern auch Beruf geworden; neben verschieden Vereinstätigkeiten bieten Vordereggers diverse Bogenseminare im In- und Ausland an, geben regelmäßig zwei Zeitschriften heraus und Dietmar Vorderegger hat sich zudem als erfolgreicher Fachbuchautor etabliert.

Und diese Vordereggers kamen nun tatsächlich nach Kassel, um den heimischen Bogenschützen das traditionelle Bogenschießen in einem zweitägigen Basisseminar näher zu bringen. 

Los ging’s bereits am Freitagabend, als die Vorstandsmitglieder Rainer Schroth, Marc Prillwitz und Dirk Forster Vordereggers am Bahnhof Wilhelmshöhe abholten. „Hallo, i bin di Karin“, war dann auch gleich der erste Satz, mit dem eine sichtlich gut gelaunte Karin Vorderegger die befürchteten Berührungsängste wie eine Seifenblase zerplatzen lies. „Gell, des is so – di Bogenschützen und die Skifahrer sagen alle du zu anand.“ 

Schnell entwickelte sich eine freundschaftliche Atmosphäre, und nach einem kurzen Austausch über den Komfort von Bahnreisen ging es zunächst zum Parcours, dann weiter zum "König von Preußen" und schließlich zum Vereinsheim, um die Örtlichkeiten für das Seminar in Augenschein zu nehmen. Besonders der Parcours weckte Vordereggers Begeisterung, doch dazu später mehr.  

Das weitere Kennenlernen zwischen Vordereggers und dem Vorstand (Bianka Ursprung und Anja Aschenbrenner stießen später dazu) endete ausgelassen und entspannt bei einem gemeinsamen Abendessen, was Dietmar mit den Worten kommentierte „so sind wir noch nie von einem Verein empfangen worden.“ 

Das eigentliche Seminar begann dann am Samstagmorgen pünktlich um 09:00 Uhr. Nach einer kurzen Vorstellung (und einer kleine Schachtel Mozartkugeln für jeden Teilnehmer) stieg man gleich mit einem Theorieblock in die Thematik des ersten Unterrichtstages ein: Schusstechnik und Körperhaltung (zu dem auch der sichere Stand und das korrekte Ankern gehört) bildeten den ersten Schwerpunkt des Wochenendes. Eine ausgegebene, persönliche Arbeitsmappe ermöglichte es zudem jedermann, die avisierten Seminarinhalte leichter mitzuverfolgen sowie später nacharbeiten zu können. 

Und noch etwas brachten Vordereggers mit: drei ihrer Fachbücher über das Bogenschießen, welche nun den Grundstock der vereinseigenen Bibliothek bilden. Jedes Vereinsmitglied kann die Bücher über den Vorstand ausleihen.  

Nach der Theorie folgte die Praxis und nach ein paar Aufwärmübungen (scheinbar sind die nicht nur in Kassel üblich) offenbarte eine erste Übung dem einen oder anderen Teilnehmer (bzw. der einen oder anderen Teilnehmerin) eine unerwartete, kalte Dusche: Vordereggers beurteilten alle 15 Seminarbesucher individuell nach einem 5-Stufen-Schema in nicht weniger als zwölf Kriterien bezüglich Stand, Körperhaltung, Schusstempo, Rückenspannung usw. Um es mit Dietmars Worten zu sagen: „Wir sind hier nicht in Club Med, in dem alles wunderbar ist; wenn wir nicht ehrlich zueinander seien können, dann lernt ihr nichts.“ Wie wahr, wie wahr. 

Nach den "Trockenübungen" im Saal und einem kurzen Mittagessen mit Erbsensuppe und Brötchen ging es weiter zum Parcours, wo auf der Einschießwiese die Theorie in die Praxis umgesetzt wurde. Besonders der richtige Stand (parallel, offen oder überdreht) und die neue Ankertechnik (an Mundwinkel und Kieferbogen) bedurften doch noch einem häufigen Üben und Wiederholen. Immerhin: der Mensch muss bestimmte Bewegungsabläufe zwei- bis dreitausend mal wiederholen, bevor er sie verinnerlicht und automatisiert hat. Na, da steht dann wohl  so manchem noch einiges bevor. 

Am Nachmittag wurden die Teilnehmer schließlich in zwei Gruppe aufgeteilt, von denen Dietmar die eine in speziellen Ziel- und Schusstechniken für Turniere schulte, während die andere mit Karins Hilfe ihren persönlichen Streukreis ausschossen. 

Dass mithilfe genau dieses Streukreisschießens zwischen den Teilnehmern das erste Bier des Abends ausgeschossen wurde, war da nur ein bereichernder Nebeneffekt. Der Seminar-Samstag endete schließlich gut gelaunt bei strahlendem Sonnenschein mit einer spontan organisierten Grillparty. 

„Was wehtut wächst“ – dieses Zitat eines erfolgreichen Österreichers stammt zwar nicht von Vordereggers, sondern von Arnold Schwarzenegger, doch beschreibt es durchaus den Muskelkater des einen oder anderen Teilnehmers am Sonntag Morgen, als um 08:15 Uhr eine Feedbackrunde den zweiten Seminartag einläutete. Geschätzte 200 Schuss (inklusive langer Spann- und Ankerphasen) hat wohl jeder Teilnehmer am Vortag abgegeben. 

Um es kurz zu machen: auch der zweite Seminartag startete mit einem Theorieteil, diesmal ging es jedoch ums Zielen und um Zieltechniken, die Praxis erfolgte erneut auf der Einschießwiese. Mittags gab es wieder eine leckere Erbsensuppe, am Nachmittag ging es dann in den Parcours, wo zunächst die spezielle Haltung bei Bergauf- und Bergabschüssen geübt wurde, anschließend wurde der Parcours dann in Kleingruppen geschossen; Vordereggers wechselten zwischen den Gruppen, um bei Bedarf individuelle Hilfestellung anbieten zu können. Ein Abschlussgespräch zwischen allen Beteiligten beendete das Seminar am Sonntag gegen 15:15 Uhr, bevor Vordereggers Richtung Bahnhof und schließlich Richtung Salzburg aufbrachen. 

Summa summarum kann wohl gesagt werden, dass es ein sehr lohnendes Wochenende gewesen ist. Positives Feedback von beiden Seiten bestätigt dies. Inzwischen sind Vordereggers wieder wohlbehalten zuhause angekommen (eine entsprechende E-Mail liegt vor), und so mancher Kursteilnehmer hat die Tage seit dem Wochenende bereits genutzt, um das Gelernte zu vertiefen und wieder und wieder zu üben. 

Sollte nun der eine oder andere Leser dieses Artikels Lust bekommen haben, auch einmal so einen Vorderegger-Seminar zu besuchen, dann bekommt er vielleicht nächstes Jahr die Gelegenheit dazu. Entsprechende Vorgespräche zwischen Karin und Dietmar und dem Vorstand sind bereits gelaufen. 

Ach ja: ein besonderes Bonbon hatte Dietmar sich noch bis zum Schluss aufgehoben. Wie oben bereits erwähnt waren er und seine Frau von unserem Parcours mehr als beeindruckt. Als Herausgeber der Zeitschrift "3D-Bogensport" möchte er daher in der nächsten Ausgabe gerne unseren Parcours in Wort und Bild seiner Leserschaft vorstellen. Also, wenn das keine Win-win-Situation ist! 

Neugierig geworden? Hier findet ihr mehr über Karin und Dietmar http://www.traditionelles-bogenschiessen.at

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Bericht in der 3D-Bogensport 2/2018